Hypophosphatasie: die Stoffwechselerkrankung HPP
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Hypophosphatasie: Eine seltene Erkrankung des Knochenstoffwechsels

Die Hypophosphatasie, kurz HPP, ist eine erblich bedingte Stoffwechselerkrankung, die sich auf Knochen, Zähne, Muskulatur und weitere Körperfunktionen auswirken kann. Da HPP sich bei jedem Patienten mit verschiedenen Symptomen bemerkbar macht, die auch auf andere Erkrankungen zutreffen können, dauert es bisweilen Jahre, bis Betroffene eine korrekte Diagnose erhalten.

Häufigkeit: Wie viele Menschen sind von Hypophosphatasie betroffen?

HPP zählt zu den seltenen Erkrankungen („rare diseases“). Die Prävalenz variiert in Abhängigkeit vom Verlaufstyp stark und reicht Schätzungen zufolge von 1:6.370 bis 1:300.000. Von der Erkrankung sind Frauen und Männer gleichermaßen betroffen. Hypophosphatasie kann bereits bei Säuglingen auftreten, aber auch später in der Kindheit und bis ins fortgeschrittene Erwachsenenalter. 

Ursachen und Entstehung: Wie kommt es zu HPP?

Zur Bildung stabiler, starker Knochen ist eine ausreichende Versorgung mit Kalzium und Phosphat notwendig. Das Enzym alkalische Phosphatase (AP) sorgt dafür, dass die Mineralstoffe in die Knochen eingebaut werden können. Bei Menschen mit Hypophosphatasie ist das Enzym jedoch aufgrund eines Gen-Defekts nicht in ausreichender Menge oder zu wenig aktiv vorhanden. Die Knochen werden nur unzureichend mineralisiert, sind demzufolge weich und instabil und können leichter brechen.

HPP
Die AQP4-Antikörper gelangen über die Blut-Hirn-Schranke, die natürliche Barriere zwischen Blutbahn und Gehirn, ins zentrale Nervensystem.

Da sich die Knochen im Laufe des Lebens verändern und sich in ständigem Umbauprozess befinden, kann sich die mangelnde Funktion der alkalischen Phosphatase während des gesamten Lebens auswirken und sowohl Knochenwachstum als auch Knochenregeneration beeinträchtigen.

Zudem können sich die Mineralstoffe in anderen Organen wie beispielsweise den Nieren, Muskeln und Gelenken ablagern und dadurch Gelenk- und Muskelschmerzen sowie schwerwiegende Organschäden verursachen.

Der Gendefekt bei HPP hat seine Ursache in einer Mutation im ALPL-Gen. Die schweren frühkindlichen Verläufe der HPP folgen meist einer autosomal-rezessiven Vererbung. Generell kann die Mutation bei der HPP sowohl autosomal rezessiv als auch autosomal dominant vererbt werden.

Autosomal-rezessiv bedeutet, dass sowohl von der Mutter als auch vom Vater der Gendefekt weitergegeben werden muss, damit es zur Ausprägung der Krankheit kommen kann. Bei einer autosomal-dominanten Vererbung führt schon ein einzelner, von Mutter oder Vater vererbter, Gendefekt zur Erkrankung.

Verschiedene Formen der Hypophosphatasie

Man unterscheidet im Wesentlichen sechs Formen von HPP – je nachdem, wann die Erkrankung erstmals in Erscheinung tritt:

  • Die perinatale Form, die man bereits im Mutterleib oder kurz nach der Geburt feststellen kann, gilt als die schwerwiegendste Ausprägung der Hypophosphatasie und hat eine sehr schlechte Überlebensprognose. Sie ist gekennzeichnet durch ausgeprägte Mineralisierungsstörungen und Knochendeformitäten. Außerdem kann es zu schwer therapierbaren Krampfanfällen kommen.
  • Bei der perinatal benignen (gutartigen) Form sind zwar im Ultraschall verkürzte oder gebogene Röhrenknochen erkennbar, nach der Geburt kommt es zumeist spontan zu klinischen Verbesserungen. Der Langzeitverlauf ist jedoch unklar.
  • Anzeichen der infantilen oder frühkindlichen HPP zeigen sich in den ersten sechs Lebensmonaten des Säuglings. Zu den Symptomen zählen Deformierungen von Skelett und Schädel (u.a. Kraniosynostose), auch Krampfanfälle kommen vor. Die Säuglinge haben häufig eine ausgeprägte muskuläre Schwäche, die zu Trinkschwäche und Schluckstörungen führen kann. In Verbindung mit häufigem Erbrechen führt dies zu Wachstums- und Gedeihstörungen. Auch bei dieser Form ist die Mortalität im ersten Lebensjahr sehr hoch.
  • Bei der kindlichen oder juvenilen Form treten erste Symptome meist nach dem Ende des ersten Lebensjahres auf. Hierzu gehören Kleinwuchs und Gedeihstörungen, verzögerte motorische Entwicklung sowie muskuläre Schwäche und chronische Schmerzen. Häufig tritt ein vorzeitiger Milchzahnverlust (oft mit intakter Wurzel) auf. Auch gastrointestinale Probleme können bei dieser Form vorkommen.
  • Die Erwachsenenform (adulte Form) der Hypophosphatasie ist gekennzeichnet durch Auftreten von unterschiedlichsten, meistens aber weniger schweren Krankheitszeichen als bei Kindern. Es kann vor allem im mittleren Lebensalter zu schlecht verheilenden Knochenbrüchen ohne adäquates Trauma kommen oder unspezifischen Symptomen wie Muskelschwäche, Knochen- und Muskelschmerzen, Zahnproblemen, Erschöpfungszuständen und Konzentrationsproblemen.
  • Die Odontohyphosphatasie stellt eine Sonderform der HPP dar, bei der nur die Zähne betroffen sind. Es kommt zu einem vorzeitigen Verlust der Milchzähne und der bleibenden Zähne sowie zu ausgeprägter Karies und abnormal geformten und gefärbten Zähnen.

Der Übergang zwischen den verschiedenen Formen ist fließend, es kann auch Mischformen geben. Je nach Ausprägung und Kombination der Symptome kann die Lebensqualität der Betroffenen stark beeinträchtigt sein. Kindern fällt es aufgrund der körperlichen Beeinträchtigungen oft schwer, mit Gleichaltrigen mitzuhalten.

Für betroffene Erwachsene kann der Alltag sehr mühsam sein. Aufgrund von Mobilitätseinschränkungen beim Gehen, Treppensteigen und Aufheben und Tragen von Gegenständen werden Hausarbeit, Einkäufe oder die Versorgung von Kindern zur Herausforderung.

Diagnose von HPP: Wie lässt sich die Erkrankung feststellen?

Aufgrund der komplexen und nicht eindeutigen Symptomatik, die bei jedem Patienten anders ausgeprägt sein kann, fällt der Verdacht meist nicht unmittelbar auf HPP. Die Symptome weisen zum Teil auf andere Erkrankungen hin, es kann deshalb – vor allem bei einer Manifestation im Erwachsenenalter – zu Fehldiagnosen kommen und oft Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte dauern, bis HPP erkannt wird. Erschwerend kann hinzukommen, dass Patienten ihre zahlreichen Beschwerden nicht ein und derselben Erkrankung zuordnen. Bei der Anamnese sollte man den Arzt deshalb über sämtliche Symptome informieren, auch wenn die gesundheitlichen Probleme bereits im Kindesalter aufgetreten sind.

Die fehlerhafte oder unzureichende Aktivität der alkalischen Phosphatase lässt sich mit einem Bluttest feststellen und ist diagnostisch wegweisend. Betroffene weisen meistens einen niedrigen AP-Wert auf. Wieviel alkalische Phosphatase der Körper für die Bildung und den Erhalt gesunder Knochen benötigt, hängt vom Alter ab. Bei Kindern und Jugendlichen im Wachstum ist für den Knochenaufbau mehr alkalische Phosphatase erforderlich als für Erwachsene.

Darüber hinaus sind weitere Untersuchungen angezeigt, um HPP von anderen möglichen Erkrankungen abzugrenzen.

Wie mühsam und langwierig der Weg zur endgültigen Diagnose einer Hypophosphatasie sein kann, verdeutlicht das Schaubild, das anlässlich des Internationalen Tages der seltenen Erkrankungen von der Patientenorganisation Hypophosphatasie Deutschland e.V. und Alexion, einem Pionier in der Erforschung seltener Erkrankungen und der Entwicklung innovativer Behandlungsansätze für betroffene Patienten, erstellt wurde.

Der 2006 gegründete Selbsthilfeverein Hypophosphatasie e.V. versteht sich als Stütze für HPP-Patienten und deren Angehörige, bietet Austausch und Informationen rund um Diagnose, Behandlung und Leben mit Hypophosphatasie.

Mit der gemeinsamen Initiative soll auf die seltene Erkrankung, deren vielfältige Symptomatik und Verwechslungsgefahr mit anderen Krankheiten aufmerksam gemacht werden, um die Versorgung von HPP-Patienten langfristig zu verbessern.

HPP
Quelle: Alexion.de

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Therapie: Wie wird Hypophosphatasie behandelt?

Die gesicherte Diagnose von HPP ist von entscheidender Bedeutung. Nur so kann dafür gesorgt werden, dass der Patient eine effektive Behandlung erhält. Außerdem wird dadurch vermieden, dass eventuell Medikamente verordnet werden, die nicht wirksam oder bei Hypophosphatasie sogar eher schädlich sind. 

Welche therapeutischen Maßnahmen in Frage kommen, hängt von den jeweiligen Symptomen und deren Schweregrad ab. Im Allgemeinen bedarf es mehrerer spezialisierter Fachärzte, um HPP optimal zu behandeln.

Einigen Patienten kann eine Enzymersatztherapie helfen. Dabei wird die alkalische Phosphatase, die bei HPP nicht richtig oder nur unzureichend funktioniert, durch ein künstlich hergestelltes Enzym ersetzt.

In Absprache mit dem behandelnden Arzt können Betroffene einiges tun, um selbst zu einer Linderung der Symptome und einem besseren Lebensgefühl beizutragen. Dazu gehört ein gesunder und ausgewogener Ernährungsstil mit viel frischem Gemüse und möglichst wenig zucker- und fetthaltigen Lebensmitteln. Außerdem ist es hilfreich, trotz Mobilitätseinschränkungen in Bewegung zu bleiben und gegebenenfalls Hilfsmittel wie Schienen oder Gehhilfen zu nutzen. Zur Verbesserung der Knochengesundheit können spezielle krankengymnastische Übungen beitragen.

Alexion Pharma Germany. 2021. „Eine seltene Stoffwechselerkrankung: Hypophosphatasie (HPP)“. Stand: 16.02.2024.

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Hennings, R., A. Roth, und L. Seefried. 2018. „Hypophosphatasie: Eine seltene Erkrankung des Knochenstoffwechsels“. Osteologie 27(04):200–207. doi: 10.1055/s-0038-1675660.

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Weber, Thomas J., Eileen K. Sawyer, Scott Moseley, Tatjana Odrljin, und Priya S. Kishnani. 2016. „Burden of Disease in Adult Patients with Hypophosphatasia: Results from Two Patient-Reported Surveys“. Metabolism 65(10):1522–30. doi: 10.1016/j.metabol.2016.07.006.

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